MOVE ON im Gespräch mit dem Leiter des ŠKODA Exterieur Design, Karl Neuhold. Wie der gebürtige Steirer den Spagat zwischen Tradition und Moderne schafft und was gutes Design für ihn ausmacht.
ŠKODA beschreitet mit der Elektromobilität einen neuen Weg in seiner Unternehmensgeschichte. Wie schwer ist die Gratwanderung zwischen Moderne und Tradition in puncto Design?
ŠKODA hat mit seiner 125-jährigen Geschichte eine lange Tradition und alle Modelle verkörpern die Markenidentität, weil sie mit emotionalem und funktionalem Design die Markenwerte visualisieren. Diese Formgestaltung führen wir in allen unseren Modellreihen weiter und interpretieren sie für die Zukunft immer wieder neu. Gelingt der Spagat zwischen Tradition und Moderne, kann das neue Produkt sehr erfolgreich sein.
Gilt dies auch für den ENYAQ iV, der den Typus des vollelektrischen SUV auf ŠKODA typische Weise komplett neu interpretiert?
Beim neuen ENYAQ iV haben sich aufgrund des Konzepts der brandneuen MEB Plattform die Proportionen deutlich geändert. Der ENYAQ iV zeigt eine langgestreckte Silhouette mit unmittelbar ansteigender Frontscheibe, er hat kurze Überhänge, einen langen Radstand sowie eine aero-optimierte Form. Gleichwohl identifiziert er sich markenspezifisch mit der ŠKODA typischen Front - diese wird mit unserem einzigartigen Frontgrill im LED-Crystal-Design zusätzlich betont. Attraktiv sind die seitlichen Tornadolinien, die kristallinen Heckleuchten im C-Design und die von unseren Kunden so geschätzte Funktionalität mit dem besten Raumangebot und vielen Simply Clever Ideen!
Elektromobilität - früher wirkten die E-Modelle recht futuristisch, heute sind sie homogener Teil des Portfolios. Ist man vom Hype des Neuen weg und wird die E-Mobilität als normale Spielart der Zukunft gesehen?
Genau. Es geht darum, den Antrieb nicht realitätsfern darzustellen, denn das ist er schon lange nicht mehr. Die E-Mobilität ist eine wesentliche Säule in unserem zukünftigen Antriebsportfolio. Bei ŠKODA steht immer der Kunde im Vordergrund und nicht der Status des Autos. Fühle ich mich in diesem Auto wohl, was erlebe ich, wie fügt sich mein Fahrzeug in mein Leben ein? Da ist es wichtig, auf die Bedürfnisse und Anforderungen einzugehen, um auch das E-Fahrzeug restlos alltagstauglich zu machen. Der neue ŠKODA ENYAQ iV wird diesbezüglich ein Meilenstein sein, davon bin ich überzeugt!
Wie intensiv muss sich ein Designer mit den Technikern absprechen?
Sehr! Das ist essenzieller Bestandteil unseres Jobs. Aber wir Designer sprechen nicht nur mit den Technikern, sondern auch mit Mitarbeitern der unterschiedlichen Abteilungen wie Produktplanung, Produktmanagement, Marketing, Kommunikation, usw. Ein neues Auto zu planen, zu designen und zu bauen, ist immer ein Abenteuer, bei dem viele Menschen zusammenarbeiten mit dem Ziel, das bestmögliche Produkt zu entwickeln.
Wie sehr verändern neue Technologien - Stichwort LED-Technologie, Wegfall des herkömmlichen Motors - die Möglichkeiten eines Designers?
Neuartige Technologien sind für uns Designer immer wieder eine großartige Möglichkeit, um etwas Neues, etwas Einzigartiges umzusetzen, um den Fortschritt zu visualisieren und etwas zu erschaffen, das davor undenkbar gewesen wäre. Die von Ihnen angeführte LED-Technologie ist ein gutes Beispiel dafür, denn sie eröffnet eine große Spielwiese für die Gestaltung sowohl des Exterior- als auch des Interiordesigns. LED-Licht ist das neue Chrom!
Design wird auch von außen vorgegeben. Luftwiderstand, Sicherheitsmaßnahmen, Fußgängerschutz -inwieweit beeinflusst all dies das Design?
Alle angesprochenen Punkte fließen definitiv in die Arbeit eines Designers ein. Stichwort Fußgängerschutz: Damit ich heute fünf Sterne im NCAP-Test bekomme, muss eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt werden, die in relativ kurzen Zeiträumen immer wieder aktualisiert und verschärft werden. Fahrzeuge, die vor fünf bis sechs Jahren auf den Markt kamen, würden heute gerade einmal drei Sterne bekommen. Um alle Anforderungen erfüllen zu können, steht uns ein sehr professionelles Team zur Seite.
Am Beispiel des Erfolgsmodells ŠKODA OCTAVIA - wie fühlt es sich an, eine neue Generation zu entwickeln? Ist man da nicht einem starken Erfolgsdruck ausgesetzt?
Nein, im Gegenteil. Es ist eine neue, ungemein spannende Herausforderung. Der Prozess, ein neues Fahrzeug zu designen, sieht in etwa so aus: Nach erfolgtem Design-Briefing und festgelegtem Lastenheft entstehen in unserem Design-Team nach der digitalen Entwurfsphase drei bis vier Modellentwürfe im Maßstab 1:1, die in verschiedenen Vorstands- und Konzerngremien präsentiert werden. Die Vielfalt gewährleistet das bestmögliche Ergebnis. Auf den ŠKODA OCTAVIA, das Herz unserer Marke, sind wir besonders stolz. Ein so erfolgreiches Auto weiterdenken zu dürfen, das ist schon etwas Besonderes.
Wenn Sie sich ein Feature aussuchen könnten, das zum Designelement wird, ohne an Verarbeitungsmöglichkeit, gesetzliche Auflagen und dergleichen zu denken - was wäre das?
Gerade denke ich an den ŠKODA 935, der Mitte der 1930er-Jahre entstanden ist. Ein aerodynamischer Prototyp, welcher seiner Zeit voraus war. Ein Unikat von ŠKODA. Ein Prachtstück! Die abgedeckten Räder, die stromlinienförmige Form - das ganze Auto hatte einen unglaublich ästhetischen Charme. Sogar die ŠKODA Kühlerfigur wurde aerodynamisch geformt! So ein Auto heute zu bauen, wäre gar nicht mehr möglich!
Wie gehen Sie als Designer durchs Leben?
Designverliebt zu sein, ist Fluch und Segen zugleich (lacht)! Es können die kleinsten Details sein, die einen in den Bann ziehen, sei es ein Kunstwerk, eine besondere Architektur oder Eindrücke in der freien Natur. Für einen Designer ist alles Inspiration, wenn er mit wachsamem Auge durch die Welt geht.